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Gerichtsfälle

Die "Verbrechen" der Prettauer Knappen

Auszüge aus den Strafprotokollen des Ahrner Bergrichters

  • Die Akten des Berggerichtes Ahrn sind nach Auflassung der Berggerichte unter Kaiser Josef II. vom Bergrichterhaus in Mühlegg (St. Johann zu Ahrn) weggekommen und nach Klausen gebracht worden, wo für den Teil Tirols südlich des Brenners der Sitz der Bergbehörde war. Diese Akten waren lange verschollen und sind jetzt zumindest teilweise im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck zugänglich. Sie sind eine wichtige Ergänzung zu den Beständen im so genannten Steinhauser Archiv des Grafen Georg von Enzenberg, weil sie eine große Anzahl von statistischen Daten zum Ahrntal und zum Bergwerk enthalten, und vor allem solzialgeschichtliche Aspekte sichtbar machen, die bisher nicht bekannt waren.
  • So ist ein 29 Blätter umfassender Auszug (16 Blätter sind beschrieben) aus dem Strafprotokollbuch des Bergrichters Georg Ramblmayr aus den Jahren 1715 - 1724 erhalten, der 50 Urteile umfasst. Davon betreffen nur zwei Tatbestände die Bergarbeit selbst, alle anderen haben damit zu tun, was in den Rechtsquellen meist unter "Unzucht und Frevel" zusammengefasst wird.
  • Es sind Delikte, die unter die niedrige Gerichtsbarkeit fielen, die der Bergrichter über die Bergverwandten ausübte. Zu den Bergverwandten gehörten alle, die im Bergbaubereich arbeiteten, einschließlich der Familienangehörigen. Die Delikte wurden mit Gefängnis, körperlicher Züchtigung oder Geldbußen bestraft.
  • Dass von den 50 Urteilen 21 gegen Väter von unehelichen Kindern gefällt wurden und 25 wegen Raufhändeln, scheint das Vorurteil zu bestätigen, dass die Knappen wirklich rauhe Burschen waren, die sich einerseits von kirchlichen Geboten nicht einschüchtern ließen und andererseits nicht davor zurückschreckten, sich ihr vermeintliches Recht auch mit Gewalt zu nehmen.

Die Gerichtssitzungen des Bergrichters

Der Bergrichter war assistiert vom Berggerichtsanwalt. Der Beschuldigte wurde angehört und verhört. Zeugen waren zugelassen, und zwar Belastungszeugen als auch Entlastungszeugen (waren bei Raufhändel oft wichtig). Berggerichtsgeschworene sind in Protokollen nicht genannt.

Die Gerichtstermine sind nach keinem erkennbaren Schema festgesetzt worden. Es gab Jahre, in dem das Gericht kein einziges Urteil fällen musste (1723), aber auch solche, indem beispielsweise bis zu dreizehn Urteile (1719) gefällt wurden.

Die Fälle mit den "ledigen Kindern"

Das Strafmaß ist nicht davon beeinflusst, dass der Beschuldigte die außerehelich Geschwängerte heiratet oder nicht, es orientiert sich aber ganz wesentlich am Vermögen des Verurteilten.

Daneben spielten moralische Kriterien eine Rolle. Man würde z.B. erwarten, dass Witwer milder davonkamen, noch dazu wenn auch die Partnerin Witwe war. Dieser Sachverhalt wirkte aber strafverschärfend, wobei allerdings davon auszugehen sein wird, dass Witwer meist älter waren und sich wirtschaftlich besser standen als junge Knappen.

Beispiele:

- Der letzte Schmelzer Mathäus Platter hat sein jetziges Eheweib vor der Ehe geschwängert. Weil er wenig Vermögen hat, zahlt er 3 Gulden Strafe.

- Der Handelsknecht (Hilfsarbeiter des Bergwerkes von Prettau) Josef Tasser hat bei Maria Stockmayerin ein lediges Kind erzeugt. Da er vorgibt, kein Geld zu haben, wird er "auf zween Tag und Nächt auf Wasser und Prot" verurteilt.

Die Raufhändel

Zu Raufhändel kam es vor allem an Knappenfeiertagen, Kirchtagen und Hochzeiten, an deren Ausbrechen der Alkoholgenuss zumindest mitschuldig war.
Es fällt auf, dass es unter den an den Raufhändeln beteiligten relativ viele Wiederholungstäter gibt, ebenso tauchen immer wieder dieselben Familiennamen auf, dass man geradezu vom Raufen als einen Lieblingssport bestimmter Familien sprechen könnte.

Die Strafen, die der Bergrichter verhängte, waren nicht so drastisch wie in manchen Fällen mit den ledigen Kindern. Gar einige Male konnten beschuldigte Raufbolde nicht verurteilt werden, weil die behaupteten, die Tat nicht begangen zu haben. Wenn dem keine Zeugen widersprachen, war der Bergrichter gezwungen, sie freizusprechen. Normalerweise wurde derjenige verurteilt, der mit dem Raufen begonnen hatte, Nur selten wurden beide Kontrahenten zu Geldstrafen verurteilt.
Kaum einmal ist übrigens von schweren körperlichen Verletzungen die Rede, die einer beim Raufen erlitten hat.

Beispiele:

- Dem Knappen Blasy Gebaur wird vorgehalten, mit dem Kraxenträger Josef Marcher und Blasy Samer dem Jüngeren einen großen Raufhandel gehabt zu haben. Da es sich um einen Wiederholungstäter handelt, wird ersterer diesmal zu 3 Gulden verurteilt.

- Der Raufhandel zwischen Mathes Paumann und Georg Trippacher wird als "gering" bezeichnet und kostet Paumann 1 Gulden.

Die vier Sonderfälle

Von den Urteilen die nichts mit Raufhändeln und unehelichen Kindern zu tun haben, betreffen zwei die Bergarbeit.

Eines betrifft die Verwendung von falschen Maßen. Der Untersteiner Bauer Peter Gruber von St. Jakob hat wissentlich zwei Erztruhen, wie sie die Bauern für den Erztransport von Prettau zu den Schmelzhütten verwendeten, zu klein gemacht und hat sie drei Wochen lang gebraucht. Er muss 6 Gulden Strafe zahlen (der Betrug mit Gewichten und Maßen wurde als bedeutendes Vergehen angesehen).

Als nicht so schwer wurde der Fall des Ahornacher Bauern Christian Lempfrecher gewertet. Er hat in zwei Kohlpennen einen ziemlichen Unrat (statt Kohle) zur Schmelzhütte geführt. Dafür wird er zu 5 Gulden Strafe verurteilt.

Einmalig ist auch der Fall des Knappen Lorenz Gruber. Er ist entlassen worden, weil er trotz öfteren Ermahnens sich bei der Arbeit heimlich Branntwein genehmigt hat. Außerdem hatte er mit Georg Pacher einen ziemlichen Raufhandel. Dafür wird er mit 3 Gulden abgestraft und muss eine Nacht im Kerker bleiben und 27 Kreuzer "Keichengeld" zahlen.

Als letzter Fall sei der des Schmelzers Lorenz Rainer angeführt. Er ist etliche Male vor den Bergrichter zitiert worden, warum ist nicht gesagt, "aber ungehorsam ausgeblieben". Dafür wird er mit 40 Kreuzern Strafe belegt, die ihm bei der nächsten Lohnabrechnung abgezogen werden sollen.
(Dr. Rudolph Tasser)